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Der Feind der Wunder

Die Gottesdiener weisen mit Vorliebe auf die Wunder als Glaubensbeweis hin. Offensichtlich gefällt es ihrem Gott in unbedeutenden Situationen direkt auf die Naturgesetze einzuwirken und so seine Präsenz und seine Überlegenheit zu offenbaren. Die Handelsreisenden der religiösen Propagandaartikel bevorzugen es, auf die Wunder hinzuweisen, um die gutgläubige Herde zusammenzuhalten. Solange diese fantasiereichen Erfindungen von ungebildeten Menschen geglaubt werden, die von den Naturgesetzen keine Kenntnisse haben, können wir ihre Naivität mit einer gewissen Resignation übergehen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse schliessen jedoch eine ernsthafte Bejahung der Wunder aus. Ein Denker, der die scheinheilige Glaubenspropaganda der Theologen an den Pranger gestellt hat, war der englische Philosoph David Hume. Er hat festgestellt, dass ein aufmerksamer Betrachter der Geschichte kein einziges Wunder finden kann, das von einer hinreichenden Zahl vernünftiger, gebildeter und gelehrter Menschen bestätigt wurde, um in einer glaubwürdigen Art den Irrtum ausschliessen zu können. Die Zeugen der Wunder müssten Personen sein, die eine tadellose Glaubwürdigkeit besitzen, von einer unbestrittenen Integrität sind und müssen über jeden Zweifel erhaben sein, bewusst jede Täuschung vermeiden zu wollen, die ihren guten Ruf gefährden könnte und sie als Schwindler entlarvte. Die übernatürlichen und wundersamen Ereignisse spielten sich zu unkontrollierbaren Zeiten ab und finden eigenartigerweise nie in der Gegenwart statt. Vorwiegend werden sie von primitiven und unwissenden Menschen geglaubt. Wer sind indessen die Verbreiter solcher Wunder? Man weiss, dass die Menschen zu allen Zeiten gelogen haben. Die Berichte über Wunder können aber die unveränderlichen Gesetze der Natur nicht leugnen. Diese sind Waffen von sich bekämpfenden Religionen, um die Konkurrenz in Verruf zu bringen. Diese Erzählungen können mit heutigen Erkenntnissen illustriert und bereichert werden, die im Sammelsurium des Aberglaubens ihren Platz finden wie die farbenfreudigen Bilder von Lourdes, Fatima, Medugorje und andere Schauplätze menschlicher Phantasiegebilde. Die Seligsprechungen sind dann die Krönung dieser
Folklore.
Hume ist in einer presbyterianischen Familie geboren und erhielt folglich eine religiöse Erziehung. Schon im jugendlichen Alter hatte er sich vom Glauben befreit, um sich der Philosophie zu widmen. Er hatte sich dabei an die wissenschaftliche Methodologie gehalten und wollte auch in der Philosophie ein empirisch-experimentelles Vorgehen anwenden. Die Metaphysik lehnte er als „steriles Produkt der menschlichen Eitelkeit“ ab.
Falls ein Buch keine Angaben auf Ausdehnung und Zahl sowie auf Gedanken, die sich auf Erfahrung stützen enthält, so meinte er, kann man es ruhig ins Feuer werfen, weil es nichts anderes ist, als Sophisterei und Fata Morgana.
Hume musste sich das Leben mit der Jurisprudenz sichern, aber da er darin wenig Ansporn fand, zog er nach Frankreich und liess sich in der Nähe von Paris nieder, wo er die Möglichkeit hat, die Bibliothek der Jesuiten besuchen und so seine Studien fortsetzen kann. Er erarbeitet seine erkenntnistheoretische Theorie im Werk „A Treatise of Human Nature“ (Traktat über die menschliche Natur). In seinem Buch „The Natural History of Religion“ (Naturgeschichte der Religion) verkündet er, dass Religion in erster Linea auf Unwissenheit und Hoffnung und Angst beruht und deshalb nur ihre Ausmerzung eine wahre Erlösung bedeutet. Es überrascht also nicht, das in einer von religiösen Inhalten geprägten Welt er keinen Lehrstuhl an einer Hochschule erhielt. Hume verwirft auch den übernatürlichen Ursprung der moralischen Grundsätze und deutet sie als Erzeugnis von Mitleid, in der Empfindung von Solidarität mit dem Nächsten und als Teil des sozialen Instinktes, das die Gemeinschaft mit den andern schafft aus Angst, isoliert zu bleiben. Weitere Hindernisse auf dem Weg zur Religion sind die teilnahmslose Gleichgültigkeit der Natur gegen den Menschen, die diversen Formen des Bösen in der Welt, die Verantwortung von Gott für die Erbsünde. Für den Philosophen lässt die Unvollkommenheit der Welt annehmen, dass die Schöpfung das Werk eines kindischen Gottes sei, der erst später das Misslingen seines Werken erkannt hat und sich dessen geschämt hat. Als Alternative ist die Welt die Erfindung eines senilen Gottes, die nach dessen Tod dem Zufall überlassen worden ist. Ein Kritiker Humes hat dessen Konzept vom Glauben als „a miraculous stupidity“, eine wundervolle Dummheit definiert.
In groben Zügen hat Hume schon 108 Jahre vor Darwin dessen Konzept der natürlichen Selektion vorausgenommen.
Seine Freunde nannten ihn den „heiligen David“ oder den „guten David“, seine Feinde als den „grossen Ungläubigen“.
Er pflegte zu sagen, dass der beste Theologe, dem er je begegnet war, eine alte Fischerin von Edinburgh war, die ihn als Atheisten wiedererkannt und sich geweigert hatte, ihn aus dem Sumpf zu ziehen, wo er hineingeraten war, bevor er den Paternoster aufgesagt habe.