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NACHDENK-CORNER 11

Ich bin seit meiner Kindheit ein Genießer des Fußballspiels. Als Jugendlicher habe ich die gloriose ungarische Elf erlebt, die bis zum plötzlichen Auseinanderfallen der Mannschaft nach den Ereignissen in 1956 unbesiegbar war. Selbst wenn die Deutschen heute „Das Wunder von Bern“ wie eine Litanei herunterleiern, war damals ihr Sieg einem falschen Schiedsrichterentscheid zu verdanken. Der Weltmeister von 1954 konnte nur Ungarn heißen.
Dennoch schaue ich seit jener Zeit Fußballspiele mit großer Freude an . Ich genieße Technik, Schnelligkeit, Kreativität, Einsatz und Kampf. Oder sagen wir besser: ich habe all das bisher genossen. Da aber Geldgier, Fanatismus, rohe Gewalt und Betrug auf dem Spielfeld zum Alltag wurden, habe ich keine Freude mehr am Spiel.
In wenigen Tagen haben wir im November 2009 alle Varianten des Zerfalls erlebt. Die Algerier erkämpfen sich in einem Entscheidungsspiel gegen Ägypten die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2010. Nach einem regulären Spiel. Die ägyptischen Fanatiker schlagen daraufhin alles kurz und klein, drohen Algerien und wollen „ihr Recht“ an der Teilnahme einholen. Erste Aufgabe zum Nachdenken: haben denn die Ägypter ein von Allah eingeräumtes Recht an den Fußballweltmeisterschaften teilzunehmen? Wenn ja dann soll die FIFA dies gefälligst zur Kenntnis nehmen!
Die Franzosen erkämpfen sich in einem Entscheidungsspiel gegen Irland die Teilnahme an der Weltmeisterschaft. In einem irregulären Spiel. Ein Schiedsrichter schenkt den Bleus den Sieg. Die FIFA meint, Schiedsrichter wären zu solchen Aktionen berechtigt. Sie nennt dies „Tatsachenentscheid“. Zweite Aufgabe zum Nachdenken: mit den heutigen technischen Mitteln wäre es ein leichtes, solche Vorkommnisse zu vermeiden. Warum wünscht sich die FIFA dies nicht?
Mehr als 200 Spiele auf nationaler und internationaler Ebene in Europa werden durch betrügerische Manipulationen entstellt. Die FIFA ist erbost und will Maßnahmen ergreifen. Warum sind solche Ergebnisse nicht auch als „Tatsachenentscheide“ zu bewerten? Wenn man solche Entstellungen nicht vermeiden kann, ist der Verdacht unausrottbar, jedes Spiel sei manipuliert. Die Spannung vor jeder Begegnung ist futsch. Dritte Aufgabe zum Nachdenken: soll man da überhaupt noch spielen?
Immer mehr Randalierer nehmen die Fußballspiele zum Vorwand, Zerstörung anzurichten. (Übrigens auch Demonstrationen jeder anderer Art). Da kommen diese Scheißkerle in Horden angereist – kürzlich zur Begegnung Basel gegen Zürich – und zertrümmern, was ihnen im Wege steht. Grundlos, aus Freude an der Zerstörung und vermeintlicher Überlegenheit. Vierte Aufgabe zum Nachdenken: wenn Fußball nur zum Mittel wird, einige unehrliche Spieler und Betrüger zu Millionären zu machen und gewalttätigen Randalierern innere Befriedigung zu verschaffen, dann rate ich zur Einstellung dieser Sportart. Doch vielleicht geht das nicht, denn die Massen haben dann keine Möglichkeiten mehr, sich am Kollektivrausch vor dem hässlichen Montagmorgen abzureagieren.