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Tiergottheiten

Die Bibel behauptet, Gott hätte den Menschen erschaffen und zwar nach seinem Ebenbild. In der Geschichte meinten aber einige Denker, dass dies genau umgekehrt war, nämlich dass der Mensch Gott nach seinem Ebenbild, nach seiner eigenen Vorstellung erschaffen hat und ihn mit Attributen versehen hat, die seine eigenen waren. Der bekannteste, aber bei weitem nicht der einzige Vertreter dieser Meinung war Ludwig Feuerbach. Jahrhunderte vor ihm sagten griechische Philosophen, die Gottheiten wären eine Schöpfung der menschlichen Einbildung, die notwendigerweise mit Eigenschaften ausgestattet wurden, die der Mensch an sich selber festgestellt hatte. Xenophanes vertrat die Ansicht, wenn die Ochsen und Rosse und Löwen Hände hätten oder malen könnten mit ihren Händen und Werke bilden wie die Menschen, so würden die Rosse rossähnliche, die Ochsen ochsenähnliche Göttergestalten malen und solche Körper bilden, wie jede Art gerade selbst ihre Form hätte. Lucretius erklärte die Götter mit ähnlichen Argumenten. Doch die Götter der Menschen hatten nicht ausschliesslich menschlichen Eigenschaften. Unzählige Tiere wurden zu „Gott“ befördert. Falken, Käfer, Schlangen, Affen, Elefanten, Löwen und so ziemlich alle Tiere wurden in früheren Zivilisationen als Götter verehrt und werden selbst heute noch angebetet. Dies allein würde schon genügen, um die Religionen in den Mottenschrank des Aberglaubens zu hängen, denn eine rationale Reflexion kann die anthropomorphe Gedankenschöpfung der Religionen nicht leugnen. Die Göttervorstellungen der Menschen halten ontologisch keiner Kritik stand. Ein bekanntes Beispiel aus unseren Tagen sind die heiligen Kühe in Indien. Diese stellen ein typisches Beispiel dar, wie die Religion das menschliche Leben auf absurde Weise entstellen kann.
Die Kuh gilt in Indien als physische und spirituelle Ernäherin und als Mutter der Menschen, der Planeten und der Götter. Sie ist eine Art „Übergott“. Als Kuh in einem anderen Leben wiedergeboren zu werden gilt für die Hindus als Erfüllung des Menschen. In dieser Mythologie heisst die Kuh „kamandhenu“, „Wunschkuh“, denn sie ist das Tier, das alle Wünsche erfüllt. Die Kuh ist das Konzentrat des Universums, jeder kosmischen Energie, sie ist alles. Wie unsinnig religiöse Glaubensthesen sein können, soll am Beispiel der Verehrung der Kuh erläutert werden. Dieses ist nur als Stellvertreter für hunderte andere Fälle angeführt, die sich genau so hartnäckig in der Welt des Aberglaubens durchsetzen und soll zum Nachdenken anregen.
Im Hinduismus galt (und gilt z.T. heute noch) die Kuh als Garant für das Überleben des Menschen. Nahrung, Bekleidung, Düngermittel, Heilmittel und Material für den Wohnbedarf wurden von der Kuh geliefert. Ihr Dung dient als Brennmaterial, ihr Urin als Heilmittel gegen diverse Erkrankungen, ihr Dung als Brennmaterial und als Insektizid, als Zugtier war sie eine wichtige Arbeitskraft für die Bauern und unerlässlich für die Landwirtschaft. Doch irgendwann wurden die Kühe alt und für die Bauern nutzlos. Zwar waren diese moralisch verpflichtet, für die Tiere zu sorgen, doch sehr viele hatten die Mittel nicht, ihnen Futter zu besorgen, was für sie eine enorme finanzielle Belastung bedeutete, und die Kühe durften nicht an Metzgern verkauft werden. In der Praxis sind aber muslimische Metzger bekanntlich dankbare Abnehmer dieser Tiere, denn sowohl die Nahrungs- wie auch die Lederindustrie sind an deren Verarbeitung interessiert. In den meisten Fällen aber werden die alten Tiere von ihren bedürftigen Besitzern freigelassen. Sie streunen in den Strassen herum und versuchen, durch den Verzehr der angehäuften Abfälle zu überleben. Sie fressen ziemlich alles. Sie beseitigen Abfälle, was die hygienische Situation in bestimmten Bezirken verbessert, fressen aber auch den herumliegenden Plastik, was zu ihrem qualvollen Tod führt. Diese streunenden Kühe verursachen oft erhebliche Probleme im Strassenverkehr. Legt sich eine Kuh auf die Fahrbahn, muss der Verkehr stoppen, bis sie sich entschliesst, weiterzuziehen. Das kann oft sehr lange dauern. Der Schreiber dieser Zeilen war in der Nähe von Neu-Delhi unterwegs, als der Reisebus unvermittelt auf eine stehende Autokolonne stiess. Er vermutete, dass der Grund für die Stockung ein Unfall wäre, doch der Fahrer klärte ihn auf, dass irgendwo Kühe die Fahrbahn blockierten. Da diese nicht verscheucht werden konnten, dauerte es mehr als 50 Minuten, bis eine Weiterfahrt möglich wurde. Nun, hier soll keine Abhandlung über die Kühe verfasst, sondern ein Beispiel für die abergläubische Ausprägung einer Religion angeführt werden. Gläubige Hindus behaupten, in jeder Kuh residierten 330 Millionen Halbgötter. Eine Kuh zu töten ist also eine schwere Sünde. Taktisch wirkte sich diese Verehrung unheilvoll aus. Als islamische Eroberer in Indien eindrangen, trieben sie ihren Heeren oft Kühe voraus, wodurch die Hindus sie nicht angreifen konnten.
Das Bedürfnis des Menschen, höhere Machtstrukturen zu schaffen, die Schutz boten, das Zusammenleben regelten, Geheimnisse erklärten, den Tod besiegten, Fruchtbarkeit garantierten, Wünsche erfüllten, Krankheiten und Gebrechen heilten und vieles andere mehr verfestigt den religiösen Glauben, der unantastbar wird und selbst bei besserer Einsicht in die objektiven Zusammenhänge nicht auszumerzen ist. Es lässt die Vernunft verkümmern. Nicht nur das: jeder religiöse Glaube beansprucht für sich, trotz der mannigfaltigen Ausprägungen Anspruch auf Ausschliesslichkeit und konstruiert die Wiege von Intoleranz und gewalttätigen Konflikten. Er wird zum Katalysator von Hass und Aggressivität, was die meisten weltlichen Machthaber verstanden haben und in ihre Dienste stellten. Religion, Nationalismus und Rassismus vergehen sich in mörderischer Art an den Menschen. Die Kühe in Indien sind nur ein relativ harmloses Phänomen für die Sinnlosigkeit aller Religionen.