Sexualität im Christentum
Einer der zahllosen Religionsgründer in der Geschichte der Menschheit war der Prophet Mani. Er lehrte ein dualistisches System, wo das Gute, die geistliche Dimension in der Welt dem Bösen, der materiellen Komponente, zu dem auch der menschliche Körper zählte, gegenüberstand. Mit diesem Konzept wurde die Sexualität in die dunklen Sphären der Hölle verbannt.
Das Argument wurde auch von den christlichen Theologen debattiert. Die Kirche hat zwar den Manichäismus (d.h. den ewigen Kampf zwischen den zwei gegenteiligen Prinzipien, dem Guten und dem Bösen, dem Geist und der Materie, dem Licht und der Dunkelheit, Gott und seinem Gegenspieler) als Häresie verurteilt, dennoch beherrschte der Virus dieses Irrglaubens für Jahrhunderte den Geist der Kirchenmänner. Der Sex war, zumindest in der Theorie, der Herrschaftsbereich des Teufels. Der heilige Augustinus wünschte sich eine Erneuerung der Fortpflanzungstechnik indem er die Methode der Landwirte herbeisehnte, die den Samen mit der Hand ausstreuten. Dieser Vorschlag fand beim Schöpfer aber keine Zustimmung. Als einzige Ausnahme bei der Befruchtung der Frau hat Gott indessen das „unbefleckte“ Empfängnis Marias zugelassen, was eher auf einen leichtgläubigen Ehemann als auf ein geheimes galantes Schäferstündchen mit dem Heiligen Geist schliessen lässt. Die katholischen Theologen haben es, wenigstens in der Lehre, nie verdaut, dass der Mensch teilweise von einem dermassen minderwertigen Bestandteil wie der Körper bestimmt war. Der Sexualtrieb, einer der mächtigsten Instinkte der Lebewesen, wurde für den Menschen verteufelt. Die ewige Rache der Theologie, eigenartigerweise im Konflikt mit Gottes Geheiss nach dem Schöpfungsakt, lag bedrohlich über dem Zeugungsakt. Wie konnte man diese Marotte Gottes entschärfen? Die Kirche hat dafür eine schlaue Lösung zur Kontrolle erfunden: die Beichte! Da die Geschlechtsorgane, die durch die Aufseher der Sexualität nicht direkt beeinflusst werden konnten, hat ein schlechtes Gewissen die Gläubigen unter den Zugriff der priesterlichen Macht in den Beichtstuhl getrieben, wo die „Sünden“ vergeben wurden. Als befände sich nicht ein Abgrund zwischen Theorie und Praxis!
Die impotente Tolpatschigkeit in der praktischen Beachtung der Vorschriften, die die Sexualität betraf hat während der Jahrhunderte einen unwürdigen Mangel an Glaubwürdigkeit hervorgebracht. Wasser predigen und Wein trinken war die Praxis der Geistlichkeit. Zwar hat eine beachtliche Zahl von Jungfrauen und Heiligen heldenhaft den Einflüsterungen des „Teufels“ Widerstand geleistet, indem diese Menschen auf das sexuelle Vergnügen verzichtet hatten, doch auf der anderen Seite haben viele Priester, Mönche, Ordensfrauen, einschliesslich der höchsten Würdenträger der Kirche der Versuchung nicht widerstanden. Die einschlägigen Chroniken füllen dicke Bände und sind amüsant. Die folgenden Betrachtungen sind nur eine aufschlussreiche Probesammlung.
Vor der Unmöglichkeit, die natürliche Rolle der Sexualität zu korrigieren, hat die Theologie die Waffen nicht gestreckt. War es schon nicht möglich, die Fortpflanzung nach der Methode der Landwirtschaft zu gestalten, wollte sie mindestens das Vergnügen vergällen. Erneuet hat sich der heilige Augustinus als recht kreativ profiliert, indem er einen direkten Zusammenhang zwischen der Intensität des Genusses und der Schwere der Sünde im Sexualakt selbst in der Ehe hergestellt hatte. Jeder Geschlechtsakt erfolgte im Schatten des schlechten Gewissens. Selbst die Nacktheit musste vermieden werden. Die Modeschöpfer der Sexfeindlichkeit schufen eine Soutane, die man „Mönchshemd“ benannt hatte, die den Körper von der Schulter bis zu den Knöcheln bedeckt hatte, in der Mitte auf der Höhe der Geschlechtsteile aber ein Loch aufwies. So konnte die sexuelle Begegnung zwischen Mann und Frau, die selbstverständlich auf die Fortpflanzung beschränkt war, vollzogen werden, ohne den nackten Körper des Partners erblicken zu müssen. Der Zungenkuss war auch den Eheleuten verboten: die fortschrittliche katholische Kasuistik hatte festgelegt, wie viele Millimeter die Zunge in den Mund des Partners eindringen durfte, um die Kriterien des Anstandes nicht zu verletzen. Die Loslösung des Geschlechtsaktes von der Fortpflanzung, wie etwa die Selbstbefriedigung stellte eine Todsünde dar. Die erfinderischen Ingenieure der Reinheit hatten eine Schachtel konstruiert, die auf die Geschlechtsteile der Jugendlichen montiert wurde und Alarm schlug, wenn sich eine Erektion einstellte. Wie schade, dass diese raffinierte Konstruktion nicht patentiert wurde! Einige nicht weniger wirksame Erfindungen waren lange Hemden, die unter den Füssen zugeschnürt werden konnten, Keuschheitsgürtel für Männer oder Zwangsjacken für die Fesselung der Hände. Es wird auch verbürgt, dass Schachteln für die Genitalien entwickelt wurden, die mit nach Innen ragenden Nägeln beschlagen waren und schmerzhaft jede Versteifung des männlichen Gliedes verhinderten.
Die Sorge der Theologen erstreckte sich sogar auf die kastrierten Eunuchen, die ihre Geschlechtsteile nicht mit der Absicht einer Pollution berühren durften.
Selbst in der Ehe fand der Geschlechtsakt keine Absolution. In einer ehelichen Gemeinschaft wurde die Geschlechtlichkeit ausschliesslich als Mittel zur Fortpflanzung geduldet. Ausserhalb der Produktion von kleinen Christenkindern war Sex als eine schmutzige, teuflische Angelegenheit betrachtet. Der heilige Odo von Cluny hat sich gefragt, in Anlehnung der wohlbekannten Frauenfeindlichkeit der christlichen Weisen, wie wir etwas umarmen können, eine Frau namentlich, das nur ein Abfallsack ist. Welche Liebe und Verehrung seiner Mutter! Die Geistlichkeit hat für alle die Freuden des Geschlechtsaktes verboten, ausgenommen seinem eigenen Stand. Für diesen hatte man grosszügigere Ansichten. Ob sie es mit Frauen, Männern oder wehrlosen Kindern trieben, schwieg man diese Fälle tot, denn der heuchlerisch vorgetäuschte gute Ruf der Kirche war wichtiger als die Lehre.
Wenden wir jetzt unser Augenmerk auf die Geburtenkontrolle. Heute noch verbietet die katholische Kirche den Gebrauch von Verhütungsmittel, auch in den Gebieten der Welt, die von Hungersnot, ansteckenden Krankheiten, Kindersterblichkeit und erblichen Krankheiten geplagt werden. Diese Haltung ist absolut unverantwortlich und asozial. Die Fixierung auf die Fortpflanzung beim Geschlechtsakt auch dort, wo die Neugeborenen zu einem vorzeitigen Tod verurteilt sind, ist mit dem Holocaust vergleichbar. Wojtyla, Ratzinger und Bergoglio beharren im Namen einer eigenen Moral auf die ausschliessliche Zeugungsfunktion beim Geschlechtsverkehr, verbieten die Verhütung und machen sich dadurch für Leid und Tod verantwortlich. Möglicherweise wird einmal ein internationaler Gerichtshof den Papst wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilen. Den gleichen Papst, der in der Öffentlichkeit Kinder umarmt und küsst, während in Afrika Tausende Kinder, die nie hätten geboren werden sollen, sterben. Die mentale Verkrampfung der Theologen zeigt sich in einer Aussage des Denkers Fuchs, einem unerbittlichen Verteidiger der absurden kirchlichen Mentalität. Als er von seinen Studenten gefragt wurde, was er von der künstlichen Befruchtung hielt, hat er seine Stirne in Falten gelegt, um zu zeigen, dass er intensiv nachdachte. Diese neue Erscheinung, gemeint die künstliche Befruchtung, nicht das Stirnrunzeln, konnte nicht mit Bibelzitaten, weisen Aussagen der Kirchenlehrer bekämpft werden oder mit päpstlichen Enzykliken untersagt werden. Nichts konnte herbeigeführt werden, um diese Technik zu verdammen. In bestimmten Fällen, wo das Ejakulat mit einem Kondom aufgefangen wurde, konnte sogar das sexuelle Vergnügen ausgeschlossen werden, zumindest für die Frauen, (denn für die Samenernte mussten die Männer die verwerfliche Masturbation betreiben). Wichtig war jedenfalls die Produktion von christlichen Neugeborenen, die dann vom Papst geküsst und gesegnet werden konnten. Der Professor Fuchs musste lange überlegen. Doch er wäre kein guter Theologe gewesen, hätte er keine, natürlich christliche Lösung gefunden: selbst bei einem heterosexuellen Geschlechtsakt musste die künstliche Befruchtung bekanntlich durch den Gebrauch eines Präservativs ermöglicht werden. Aber doch nein! Der Kondom war auf der schwarzen Liste der Päpste. Der Schlaumeier Fuchs fand die richtige Lösung: man sollte im Präservativ ein kleines Loch anbringen, damit die Offenheit auf die Zeugung beim Liebesakt gewahrt werden konnte!
Per aspera ad astra!