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WIE HABAKUK DIE WELT ERLEBTE 11

Ich habe mich kürzlich auf meinem Wege verirrt. Wie gewöhnlich bin ich zur Siestazeit auf dem Rücken meiner Eselin eingenickt und verließ mich darauf, dass mich das Tier in der eingeschlagenen Richtung weiterführte. Ich musste dabei eine teure Wahrheit lernen: wer Eseln traut, ist selbst ein Esel. Die schlechte Ruhla ließ sich nämlich von einem mit Disteln überwachsenen Pfad verführen. Für ihren Magen hatte sie Treue und Gehorsam geopfert.
Als ich von meinem Nickerchen erwachte, war ich in einem endlosen Wald gründlichst verloren, nicht weniger, wie die Stecknadel im Heustock. Mit eindeutigen Gesten klärte ich die Eselin über meinen frustrierten Seelenzustand auf und beschloss den Weg zu suchen. (Hier muss ich einige Stunden überspringen, der unfeinen Ausdrücke wegen, die während dieser Zeit gefallen sind.)
Als wir am Abend immer noch im Wald waren, begann ich mich mit dem Gedanken abzufinden, dass ich die Nacht in der Wildnis, im schlimmsten Fall im Magen eines Raubtiers, verbringen musste. Bald schon schien mir die zweite Möglichkeit besonders wirklichkeitsnah, denn aus der Ferne war ein fremdartiges Heulen zu hören. Es schauderte mich ob dieses verzweifelten Gebrülls, das ähnlich tönte, wie die Angstschreie von vielen-vielen Menschen, die in den Rachen der wilden Tiere geraten sind.
Ich schlich mich an, in Richtung der Geräusche.
Nach einigen Umwegen stieß ich auf eine Waldlichtung. Das Bild, das mir sich hier bot, überraschte mich nicht wenig. Derweil ich Tiger erwartet hatte, Boaschlangen und wütende Elefanten, erblickte ich nur heulende Menschen, die sich am Boden wälzten, mit der Stirn gegen die Erde schlugen, die Arme verwarfen und lautstark zu leiden schienen. Mitten auf der Lichtung war ein großer Scheiterhaufen aufgetürmt, auf dem reglos ein Mann lag, offensichtlich tot.
„Eine Trauerfeier“, dachte ich erleichtert.
Ich hielt mich unbeachtet am Waldrand zurück. Mit Interesse verfolgte ich das beeindruckende Geschehen. Auf einen einzigen Wink des Zeremonienmeisters verstummten alle und erhoben sich. Der Dorfmagier nahm dann eine Frau bei der Hand und begleitete sie, von den schweigenden Blicken der Trauernden gefolgt, auf den Scheiterhaufen. Er band sie neben dem Toten an und stieg wieder mit feierlicher Würde hinunter.
Ich ahnte Schlimmes und wurde nervös. Ich stürmte vor und packte einen Mann am Arm und machte ihn auf die große Gefahr aufmerksam, der die Frau ausgesetzt war.
„Ich wollt doch nicht Feuer anlegen?“, sagte ich ihm warnend.
Er schaute mich verwirrt an.
„Warum nicht? Sie ist die Witwe des Verstorbenen“, sagte er mit großer Selbstverständlichkeit.
„Aber sie lebt noch“, verdeutlichte ich das Missverständnis.
„Sie muss sterben. Bei uns werden die Witwen mit ihren toten Ehemännern verbrannt.“
Ich schüttelte den Kopf. „Das ist ja Wahnsinn! Wie kommt ihr dazu?“
„Das Gesetz schreibt es vor.“, gab er mir zur Antwort. „So wird es verhindert, dass die Frauen ihre Ehemänner vergiften.“
Eine eigenartige Einrichtung, die Ehe, lieber Onkel Habakuk. Sie ist der Versuch zweier Menschen, einander glücklich zu machen: mit Giftbecher und Scheiterhaufen.