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Acta Sanctorum

Wir haben uns daran gewöhnt, an die Unstimmigkeiten, Widersprüche, Lügen, Falschmeldungen, Fake News in den Deklamationen und Werke der öffentlichen Personen und Institutionen, an die Absurditäten der Mächtigen in der Welt. Die Namen der Hauptdarsteller stechen in Grossbuchstaben und Fettschrift aus den Schlagzeilen der Tageszeitungen. Schon längst ist anstelle unserer Empörung Resignation getreten. Es bleibt den Kabarettisten vorenthalten den Spiegel diesen Komödianten vorzuhalten.

In diesem Theater der Absurditäten stellen die Verhaltensformen der Würdenträger der katholischen Kirche keine Ausnahme dar. Selbst, wenn wir es eingestehen, dass sie nicht den exklusiven Anspruch der Falschheit erheben, lohnt es sich uns über die Geschichtsbücher zu neigen, um aufzudecken, dass die Kirche wesentlich menschlich ist und keineswegs so göttlich, wie das die Theologen gerne behaupten. Die bekannte Arroganz der Verteidiger des göttlichen Ursprungs der Kirche beeindruckt nicht, die sowieso nichts anderes ist, als Wiederbelebungsversuche eines sterbenden Systems. Es ist also unnütz, über die fehlende Glaubwürdigkeit dieser Einrichtung nachzudenken. Nicht im schockierenden Sinne von Gianluigi Nuzzi, der die skandalösen Vorkommnisse hinter den Mauern des Vatikans untersucht hatte, aber lediglich in der Variante soft, die Kopfschütteln hervorrufen.

Der Kampf für die Emanzipation der Frau hat nach merklichen Anstrengungen teilweise zu Resultaten geführt. Es wird jedoch fast nie vermerkt, dass am Ursprung der Diskriminierung der Frauen in der westlichen Zivilisation, insbesondere, allerdings nicht ausschliesslich, in der christlichen, stets bekannte negative Verhaltensweisen der Religionen stehen. (Nur der Islam  und teilweise das Judentum übertreffen die Frauenfeindlichkeit der Kirche). Es ist leicht, die Beweise für diese Behauptung zu finden. Der heilige Paulus schreibt der Gemeinschaft vor: „Mulier taceat in ecclesia“!, stopft die Mäuler der Frauen. Der heilige Thomas von Aquin stellt ernsthaft die Frage, ob die Frau direkt von Gott geschaffen wurde – was im verneinenden Fall das Feld dem Teufel überlässt. Der heilige Augustin lehrte, dass Eva der minderwertige Teil des ersten, durch Gott erschaffenen Paares war, und in einem Streitgespräch der Scholastik lies man den Titel einer theologischen Disputation: „habeatne mulier animem?“, besitzt die Frau eine Seele? An einigen Orten wurden Priester, die den Frauen während ihrer Periode die Kommunion erteilten, ihres Amtes enthoben. Es wurde nicht erörtert, welche Mittel diese Priester für die notwendige Kontrolle zur Verfügung hatten.

Die Beispiele können weitergeführt werden.

Die kirchlichen Geschichtsschreiber stellen mit protziger Beharrlichkeit die Päpste als Vertreter der christlichen Ideale wie Güte, Ehrlichkeit, Askese, Reinheit und Verantwortlichkeit. Die Geschichte belehrt uns anders! Viele dieser Würdenträger spielten ihre Rolle gemäss einer profanen Sicht. Papst Leo X., ein Mitglied der mächtigen Familie Medici jubelte nach seiner Wahl: „Da uns Gott das Papsttum geschenkt hat, wollen wir es geniessen!“ Und er tat es tüchtig. Das Betragen der Päpste zur Renaissance-Zeit – die bekanntesten unter ihnen waren zweifellos Alexander VI. (Borja) und Julius II. (della Rovere, der Kriegerpapst) haben als weltliche Fürsten regiert und etliche Nachkommen gezeugt. Dies als Zölibatäre! Alexander war auch für die Orgien bekannt, die er in den Mauern des Vatikans organisiert hatte. Er wollte sogar das Papsttum in eine Erbmonarchie umwandeln. Die Eitelkeit von Innozenz III., dem Initiator des vierten Kreuzzuges, der nie an sein Ziel gelangte, ist im Vergleich zu den Renaissancepäpsten ziemlich harmlos. In der Reliquiensammlung des Vatikans wurde der Mantel Christi aufbewahrt, der gemäss der biblischen Erzählung unversehrt geblieben ist, weil ihn die römischen Soldaten nicht entzweischneiden wollten. Im Versteckten hat Papst Innozenz III. den Mantel hervorgeholt und ihn anprobiert, um festzustellen, ob ihm das Kleidungsstück in der Grösse passte. Diese Episoden beleuchten nur schwach die unzähligen Fälle von Défaillance der Kirchenfürsten. Unter den Geschichtsschreibern, die ihre Aufmerksamkeit auf das Papsttum gerichtet hatten, sticht der Name von Ludwig Freiherr von Pastor hervor, der in sechzehn umfangreichen Bänden die Taten der Päpste in minuziöser,  umfassender, jedoch ziemlich selektiver Art beleuchtet hatte. Als treuer Katholik benutzte er selbst bei negativen Berichten über die Fakten der Nachfolger Petri stets Pastellfarben. Das monumentale Werk kann die dunklen Jahre des Vatikans während der Herrschaft von Wojtyla und Ratzinger nicht einschliessen, die in niederträchtiger Art die pädophilen Schandtaten von zahllosen Priestern verschleierten.

Eine spezielle Erwähnung verdient das Ordensleben. Die Anweisung der Kirche war eindeutig: Keuschheit aus Liebe zu Gott und um den Geist für seinen Dienst freizuhalten. Man wollte den Verlust von Zeit, Energie und Legaten an die Kirche vermeiden, in vielen Fällen war jedoch die Wirklichkeit anders. Der Sexualtrieb mit seiner starken Forderung verlangte sein Recht. Das Fleisch wollte seinen Teil einfordern. In den „Bädern“ und Bordellen wimmelte es von Ordensleuten aller Couleurs. Überall, wo die religiösen Anlässe eine bestimme Anzahl von Priestern vereinigten, sind unverzüglich Bordelle eröffnet worden, gelegentlich sogar in den Innenhöfen der Kirchen, wo die Prostituierte den Namen „Münsterschwalben“  erhielten. Am Ende des Konzils von Lyon (1250) erklärte ein Kardinal: Wir haben der Stadt grosse Wohltaten erwiesen. Bei unserer Ankunft gab es hier 3 bis 4 Bordelle. Bei unserer Abreise lassen wir nur eines zurück, das sich allerdings von einem Ende der Stadt bis zum anderen erstreckt. Wo keine Orte für leichte Begegnungen vorhanden waren, boten sich die Klöster als Ersatz an. Dabei „gehörten“ die Nonnen ausschliesslich den Mönchen. Ihre Vereinigung wurde oft wie eine Hochzeit gefeiert, mit Gesängen, Gelagen, Köstlichkeiten und erlesenen Weinen. Wurden sie schwanger, gebaren die Ordensfrauen die Sprösslinge für das Kloster, oder sie haben sie abgetrieben. Ausgrabungen in vielen Klöstern förderten unzählige kleine Skelette von Föten, die in die Latrinen geworfen wurden, ans Tageslicht. Hatten sich die Nonnen Laien hingegeben, wurden sie von den kirchlichen Obrigkeiten verfolgt und eingekerkert.

Ferner gab es die „Frauenhäuser“. „Frauen“ waren hier ein Euphemismus. In einiges Städten haben die Behörden verfügt, dass Mädchen, die noch keine Brüste hatten, nicht aufgenommen werden konnten. Ein Beweis dafür, dass in einigen Fällen auch Minderjährige dazu gezwungen wurden, sich zu prostituieren.

Die Berichte über die Absurditäten füllen ganze Bibliotheken. Zu bestimmten Zeiten zwang man die Priester gewaltsam, zölibatär zu bleiben. Wenn sich dann diese Vorschrift gefestigt hatte, begann man in ihrem Leben das Konkubinat zu dulden, wobei ein solcher Kompromiss durch die Bezahlung einer „Hurensteuer“ erkauft werden musste. Von nun an wurden die keuschen Priester lästig, also mussten auch diese die Abgabe entrichten, wobei ins Feld geführt wurde, dass der Bischof Geld nötig hatte. Nach Bezahlung der Steuer konnte dann jeder selbst entscheiden, ob er keusch oder im Konkubinat leben wollte. Rousseau berichtet von einem Fall, wo ein jungfräuliches Mädchen von einem Priester geschwängert wurde. Dieser wurde bestraft, weil eine Vorschrift besagte, dass Priester nur verheiratete Frauen schwängern durften.

All diese Fälle wurden von der Kirche geduldet, unter einer Bedingung: der Schein musste gewahrt werden. Die Santa Ecclesia musste ihre unbefleckte Maske schützen, selbst wenn diese heuchlerisch war. Bis in unsere Tage! Allmählich entblösst die öffentliche Meinung die Heuchelei der Prälaten.