Italienische Selbstkritik
Unter Umständen ist die Selbstkritik eine maskierte Selbstbewunderung: einer schaut mit einem eitlen Lächeln in den Spiegel und sagt: „Bist du hässlich!“. Viele meiner italienischen Freunde erklären: ich liebe Italien hasse aber die Italiener. Sie meinen damit, dass sie die bekannten Fehler der Italiener hassen. Und Fehler haben sie viele! Ihr „Individualismus“ – so nennen sie ihren respektlosen Egoismus -, der sich durch das gänzliche Fehlen von Rücksicht gegen die anderen äussert, ist in ihren Augen nicht ein Makel, sondern eine Tugend, auf die sie stolz sind. Beim Autofahren beachten sie die Sicherheitslinie nicht, beim Parken stehen sie stets mit zwei Rädern auf dem benachbarten Platz, beim Warten drängen sie sich an der Schlage vorbei, sie sind pöbelhaft laut, sie werfen den Abfall einfach auf den Gehsteig, sie übertreten grundsätzlich alle Regeln, sie üben sich im kleinen und grossen Betrug… Diese Liste kann endlos fortgesetzt werden. Einer der sagt, „ich bin Italiener, aber ich hasse die Italiener“, drückt sein Missfallen über deren Mentalität aus. Jawohl. Dann wird er zumindest anders sein, denke ich. Ich betrachte sie, aber ich kann in ihrem Verhalten keine Unterschiede feststellen. Die Botschaft meiner Freunde, die die Italiener hassen heisst: die anderen sind Versager, ich bin aber anders.
Hört, hört!
Ich mag sie dennoch, diese hassenswerten Italiener.