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Der Rassist

In der „Unendlichkeit“ des Universums lässt Gott ein Staubkorn entstehen, „Erde“ genannt, auf dem er winzige Mikroben einsetzt, „Mensch“ genannt, die ihn dann fürchten, lieben, ehren und anbeten sollen. Und das unermessliche Universum schaut unbeteiligt zu.
Mögen wir doch etwas Sinn für Proportionen beweisen!

Versucht einer, die Glaubensinhalte einer kritischen Prüfung zu unterziehen, so mobilisiert er ein Heer von Exegeten aller Religionen, die mit Vehemenz rettende Deutungen der Religionen ins Feld führen. Eine phänomenologische und rationale Betrachtung der Glaubenslehren ist für diese Brüder von Don Quijote ein Graus. Sie blasen also zum Angriff und behaupten, ihr jeweiliger Gott bliebe unverstanden, oder mit anderen Worten, wer den Glauben mit rationalen Mittel angeht, sei ein Stümper. Sie verschliessen sich beharrlich den Ungereimtheiten des Gottesbildes, die zwar offensichtlich ist aber nach ihrer Meinung nicht mit diesen Mitteln deutbar ist. Den gesunden Menschenverstand aus der Jury der Bewertung der Phänomene verbannen und ihn durch die Kontorsionisten der Schriftauslegung ersetzen zu wollen führt zur Willkürherrschaft der vorgefassten Meinungen. Allen Unkenrufen zum Trotz soll hier ein Versuch unternommen werden, durch Kritik an den  „geoffenbarter Wahrheiten“ Ludwig Feuerbach Gerechtigkeit zuteil werden lassen, der in einleuchtender Art die These vertrat, der Mensch habe Gott nach seinem Bilde erschaffen (und nicht umgekehrt!). Die Herolde Gottes werden mich der Inkompetenz bezichtigen, weil ihnen die Argumente fehlen mich glaubhaft zu widerlegen. Doch solange sie nur mit pseudowissenschaftlichen Trapezkünsten aufwarten, bleiben sie eben Schausteller, die Jahrmarktsattraktionen darbieten.
Die meisten Religionen vertreten die Ansicht, Gott hätte den Menschen erschaffen, um von diesem geehrt, gefürchtet, geliebt, angebetet und bewundert zu werden und dazu seine Gebote befolgen zu lassen. Wenn Gott schon solch narzisstische Anwandlungen hat, warum beschränkt er sich auf diese relative Bedeutungslosigkeit? Zwar singen die Kirchgänger mit L. von Beet6hoven „Die Himmel rühmen…“, doch die Himmel rühmen überhaupt nichts, denn sie können gar nicht rühmen. Sie gehorchen Naturgesetzen, die die Forschung langsam enthüllt, doch offensichtlich beschränken sie sich auf diese Gesetze, es sei denn, wir mit unserem Menschenhirn wollten nicht irgendwelche Geheimnisse dahinter vermuten. Da wären wir aber beim Glauben.
Der Mensch steht in dieser Welt mit einer Vielfalt von Instinkten, unbewussten und unterbewussten Verhaltensmuster und Trieben, die oft zwingenden Charakter haben und sein Verhalten dominant beherrschen. Falls ihn also Gott erschaffen hat – und dies behaupten die drei grossen Religionen – hat der Schöpfer allerdings vergessen, dieses Inventar in unseren Genen mit seinen eigenen Desiderata, – man nennt diese „Gottes Gebote“ -, zu ergänzen, die er dann nachträglich durch seine Offenbarung bekannt geben muss, um sie seinem Geschöpf aufzuzwingen. Er leistet also nur eine halbe Arbeit, denn während das Universum und die Natur auf Erden streng nach Gesetzen funktionieren, wird ausschliesslich vom Menschen verlangt, die in ihm eingepflanzten Gesetze dadurch zu ergänzen und zu unterdrücken, dass er Gottes Gebote befolgt. Dummerweise sind diese Wünsche Gottes oft im Widerspruch zu seiner eigenen Schöpfung. Entweder muss also die ursprüngliche Vorgabe verleugnet werden, oder der nachträglich eingebrachte fromme Wunsch Gottes, dessen Nichtbeachtung ja bekanntlich direkt in die Hölle führt, über den Haufen geworfen werden. Mit anderen Worten: Gottes Gebote sind oft mit seiner eigenen Schöpfung inkompatibel.
In den drei grossen Religionen, und nicht nur in diesen, erschafft Gott den Menschen. Alle! In allen gilt er als guter Gott. Nun, dieser gute Gott, der übrigens sah, dass sein Werk gut war, und also sein Werk als gelungen erachtete, hat in einer Stunde von Depression eine sehr ungute Reaktion: er bestimmt, dass nicht alle Menschen gleich seien. Er schafft unter seinen Kindern diverse Klassen. Er hat seine Lieblinge, die Auserwählten, Gläubigen und Erlösten und lässt den Rest in den Fängen des Teufels.
Nehmen wir als erstes Beispiel den Islam. Er macht angeblich den Koran nur denen zugänglich, die arabisch verstehen und schliesst die überwältigende Mehrheit der Menschheit vom Verständnis seiner Botschaft aus.
Oder die Juden: Jahwe macht Israel zu seinem auserwählten Volk und entwertet den Rest auf schäbige rassistische Art zu Nicht-Auserwählten.
Oder schauen wir uns den Christengott an: er schenk den einen die Gnade des Glaubens, – dies kann man nicht selber, durch eigene Anstrengung und Verdienste erwerben – und wirft die übrigen in die Flammen der Hölle.
Wenn bei den Hanuman-Languren ein junges Männchen das Alphatier verjagt und die Macht über eine Gruppe erobert, entreisst er den Weibchen alle säugenden Nachkommen und tötet sie, um die Hegemonie seiner Macht und seiner Gene zu festigen. Der Gott der grossen Religionen macht es ihm gleich. Die Seinen ja, die übrigen nein!
Den Koran auf arabisch lesen? Wenn es darum geht, die poetische Dimension zu erfassen, den ästhetischen Genuss auszukosten, wie das von vielen Korankennern als unübertreffliche Qualität dieser konfusen Schrift vorgebracht wird, warum nicht. Da kann man aber auch Tausendundeine Nacht auf die gleiche Ebene stellen, oder El Cid, Odysseus von Homer, Dantes Divina Commedia, Goethes Faust oder noch viele andere Werke. Damit ist aber noch überhaupt nicht bewiesen, dass der Koran eine göttliche Botschaft darstellt. Alle Schwärmer, die aus dem „grossartigen poetischen Werk“ den Beweis für eine göttliche Offenbarung ableiten wollen, denken zu kurz. Dieser Gedanke ist etwa gleich schlüssig wie die Behauptung, die aus dem Vorhandensein der überwältigenden Schönheit der Kathedralen der Christenheit die Existenz Gottes ableiten wollen. Neben der poetischen Funktion erheben die Muslime auch den Anspruch, den Koran als Offenbarung Allahs zu deuten, als Mitteilung an die Menschen also. Hierbei geht es aber schlicht und einfach um die semantische Komponente des Textes, wo eine sorgfältige Übersetzung den Inhalt durchaus auch allen vermitteln kann, die kein Arabisch sprechen. Die darin vermittelte Botschaft ist aber nicht nur konfus, sondern auch widersprüchlich, sehr „ungöttlich“. Die durch die Ausleger eingestandene Uneindeutigkeit der Aussagen, die natürlich ein Wettrennen unter den Schriftauslegern bewirkt, wird lakonisch mit dem „und Gott weiss es besser“ zur Nacht, in der alle Kühe schwarz sind. Die Schriftgelehrten haben das Wort, jeder gibt dem Wort seine eigene persönliche Auslegung, die er zur verbindlichen Wahrheit erklärt. Manch einer ruft seine Jünger kriegerisch dazu auf, alle umzubringen, die seine Meinung nicht teilen. Doch eine Offenbarung kann nicht von der Kreativität des Hörers abhängig sein, ohne ihre Ernsthaftigkeit zu verlieren. Die Einengung durch die Sprache, die ja Quelle aller Missverständnisse ist, durch den Zeitgeist zur Zeit der Entstehung, durch die Verschwommenheit beraubt jede Offenbarung der notwendigen Allgemeingültigkeit; und die Interpreten meinen: wenn der menschliche Geist dem Text des Korans begegnet, verliert dieser „die Eigenschaft des Unveränderlichen, er verändert sich und seine Bedeutungen werden vielfältig“ (Vgl. Navid Kermani, Die Offenheit der Offenbarung, In Neue Zürcher Zeitung, 2./3. März 2002, S. 89) Also wird die Offenbarung völlig subjektiv. Ihrem Wahrheitsanspruch ist damit der Garaus gemacht. Die Exegeten haben das Wort und sie erheben den Anspruch, unerlässlich zu sein, was ja schliesslich ihr Hauptanliegen ist.
Die rassistische Einschränkung, die das Verstehen der Botschaft Allahs den Arabischsprechenden vorbehält, ist jedoch nicht die einzige Diskriminierung, die der Schöpfergott willkürlich den Menschen gegenüber ausübt. Wiederholt wird beteuert, dass Allah den auf den rechten Weg leitet, wen er will (2. Sure, 160), dass sein Volk, das beste ist, das je unter den Menschen entstand (3. Sure, 111), dass Allah Menschen in die Irre führen kann, die dann nimmer mehr den rechten Weg finden (4. Sure, 144), dass Allah jedem Volk eine Religion gegeben hatte, aber wenn er es nur gewollt hätte, so hätte er allen nur einen Glauben gegeben (5. Sure, 49 und 11. Sure, 119)), dass Allah alle auf den rechten Weg bringen könnte, wenn er nur wollte (6. Sure, 36, 16. Sure, 9f, und 94), dass wenn es Allah nur gewollt hätte, die Ungläubigen keine Götzendiener geworden wären (6. Sure, 107f). Wen Allah leiten will, dem öffnet er die Brust für den Islam; wen er aber im Irrtum belassen will, dessen Brust wird er so verengen, als wollte dieser zum Himmel hinaufsteigen (d.h. das Unmögliche vollbringen) (6. Sure 126); Allah führt in den Irrtum, wen er will, und leitet, wen er will (14. Sure, 5, 39; Sure, 24 und 37))
Wozu also noch eine Offenbarung, wenn Gott alles schon eigenmächtig entschieden hat? Was teilt dieser Gott seinen erwählten Geschöpfen mit? Wie sollen sie sich verhalten? Er kratzt seine gesamte Weisheit und Erfahrung zusammen, um dem Menschen vorzuschreiben, wie er sein Gesichtshaar pflegen, wie oft er sich waschen und was er essen und wie er seine Frauen behandeln soll. Toll! Und solche Lappalien stehen am Ursprung  religiös bewirkter Auseinandersetzungen, Morde, Tortur und Unterdrückung. Die Einhaltung religiöser Vorschriften wird verpflichtend, sie unterscheidet zwischen “Gläubigen” und “Ungläubigen”, wobei der Prophet seinen Jünger befohlen hat, die “Ungläubigen” frohen Herzens umzubringen. Was aber, wenn Schiiten und Sunniten sich gegenseitig des Unglaubens bezichtigen? Einfach. Man bringt sich frohen Herzens gegenseitig um.
Natürlich besteht die Offenbarung nicht nur aus kabarettistischen Lappalien. Doch nichts ist darin enthalten, was nicht mit dem gesunden Menschenverstand zu entdecken wäre, es sei denn die narzistischen Vorschriften Gottes, ihn zu ehren, zu lieben, zu fürchten und anzubeten. Hat er das wirklich nötig, wenn er das ist, für wen ihn die Religionen ausgeben?
Vom ungerechtfertigten Nepotismus leiten dann alle Religionen den Anspruch auf ausschliesslichen Wahrheitsbesitz ab.
Das Zauberwort für das Stehenlassen von Absurditäten heisst “Gott kann auch auf krummen Linien gerade schreiben”. In verständliche Worte gefasst heisst das: all das ist zwar ziemlich unsinnig, doch ihr sollt es dennoch glauben, sonst kracht das Kartenhaus zusammen.
Als Krönung der Sinnlosigkeit steht in der Sure 26, 2 ein Satz: Ta Sin Mim. Dieser Satz ist nur Allah verständlich. Was soll er dann in der Offenbarung an den Menschen? Monolog ist keine Offenbarung.
Der Gott der Juden Jahwe lässt durch Moses den Söhnen Israels ausrichten, dass sie vor allen Völkern sein Eigentum seien. Diese Bevorzugung des Auserwählt-Seins wiederholt sich in unzähligen Beteuerungen im Alten Testament, wo Gott unermüdlich darauf hinweist, dass Israel „sein“ Volk ist, denn er hat es aus allen Völkern, die auf Erden sind, für sich erwählt (5. Mos. 7, 6). Allerdings knüpft er dieses Privileg an Geschäftsbedingungen, an einen „Bund“: sein Volk müsse auf das Wort des Herrn hören, alle seine Gebote getreulich erfüllen, dann würde Gott es über alle Völker der Erde erhöhen. (2. Mos. 19, 3-6; 5. Mos. 28, 1) (Vgl. auch 2. Mos. 6,7/14 u.v.a.m.). Geschäft ist Geschäft, denken sich die Beteiligten. Doch wie es im Orient oft gebräuchlich ist, halten sich die Vertragsparteien nicht immer an ihre Vereinbarung. Einmal ist es Gott, ein andersmal sein Volk, das die Spielregeln verletzt. Allerdings ist das Alte Testament, das heilige Buch der Juden, nicht minder archaisch und inkohärent als der Koran. Sei es der Sündenfall, die Vertreibung aus dem Paradies, die Prüfung Hiobs, die Sintflut oder andere launische Einfälle Jahwes, die „Offenbarung“ entpuppt sich als der Niederschlag der sozialen, politischen, militärischen, meteorologischen, tellurischen und internationalen Ereignisse der Zeitgeschichte. Was jedoch befremdend ist, dass es heute noch Gemeinschaften gibt, die die abstrusen Überlieferungen aus dem Alten Testament wörtlich oder im übertragenen Sinn ernst nehmen und bereit sind, von diesen angebliche Rechte abzuleiten und diese einzufordern.
Die phantasiereiche Moglerei der Schriftgelehrten hat dann den angeblichen Gesetzen Jahwes unzählige Gebote, Verbote und Einschränkungen hinzugefügt, die den Alltag orthodoxer Juden zu einem absurden Kabarett gestalten. Diese Religion ist die langweiligste, trockenste, unnatürlichste und verstaubteste unter allen grossen Glaubenslehren. Und wie bei allen Integralisten, sind die Extremisten durch verstockte Sturheit ausgezeichnet. Die Liste der verbotenen Tätigkeiten am Sabbath ist endlos und unsinnig. Man schaltet die Lichter am Freitag ein, weil der Lichtschalter am Sabbath nicht betätigt werden darf; man reisst die Blätter des Toilettenpapiers am Abend vorher ab und stapelt sie für den Gebrauch, denn am Sabbath darf man nicht arbeiten. Ein Gott, der solche Vorschriften macht, hat wenig Vernünftiges zu tun. Es ist sehr verwunderlich, dass Menschen im 21.sten Jahrhundert solche mentale Verrenkungen noch ausführen und ernst nehmen!
Das Auserwähltsein hat den Juden wohl ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit beschert, bei anderen allerdings eher Befremden hervorgerufen. Das ist in keiner Art und Weise stets als Antisemitismus zu verstehen; eine selbstgewählte Isolation weckt keine Sympatien.
Auch in der christlichen Lehre haben es die Theologen verstanden, die Gläubigen als Gotterwählte zu deuten. Die unsinnige Geschichte vom Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies wurde durch die noch unsinnigere Lehre der Erlösung durch den Tod Gottes aufgehoben. Ein reumütiger Gott, der aus einer unentschuldbaren Laune heraus seine Kreatur mit Sünde und Verdammnis überschüttet bietet die Lösung für Wiedergutmachung durch die Erlösungsgeschichte an. Aber auch das nicht universell, sondern durch eigenmächtige Selektion: der Mensch kann nicht aus eigener Kraft durch gute Werke und Anstrengung zu seinem Heil beitragen, er wird von Gott mit der Gnade des Glaubens beschenkt und so zum “Gerechten”, der beim letzten Gericht zu Gottes Rechten stehen und ins Paradies einziehen wird. Wem Gott diese Gnade verweigert, bleibt in den Fängen des Teufels und ist zum ewigen Verdammnis bestimmt. Diese Lehre wird in der Bibel unermüdlich wiederholt, allein Paulus spricht 87-mal von “Gnade”. Eine besondere Betonung findet der Begriff bei Martin Luther, der gegen die leistungsorientierte (und für den Vatikan finanziell sehr einträgliche) Ablasslehre die “Gnade” als ausschliessliches Kriterium für die Erlösung anerkannte. Die katholische Kirche befand sich plötzlich im Abseits, denn einerseits konnte sie dieser Sicht nicht widersprechen, andererseits wollte sie auch nicht auf die materiellen Segnungen der “guten Werke” verzichten. Da wandte sie die altbewährte Lösung der Spiegelfechterei an. Ihr “ja, aber” konnte die Kirchenspaltung nicht verhindern.
Die Theologen sind sich bewusst, wie absurd eine solche Lehre von einem “gütigen Gott” ist, der den einen Gnade schenkt, den anderen aber nicht, und erfinden verzwickte Lösungen, um das entstandene Dilemma zu lösen. Da wird von “freier Entscheidung” des Menschen geplappert, der das Angebot annehmen oder ablehnen kann, wodurch schliesslich seine vorerst ausgeschlossene Mitwirkung bei der Erlösung durch den Glauben wieder postuliert wird. Die “Gotteskindschaft”, die durch die Erteilung der Gnade begründet wird, ist nach dem Theologengeschwätz einerseits ohne Mitwirkung des Menschen gegeben, andererseits durch die Möglichkeit der Ablehnung der Gottesgabe durch den Menschen doch von menschlicher Entscheidung abhängig. Der Widerspruch wird auch nicht durch das sinnlose Zauberwort aufgehoben, Gott könne auch auf krummen Linien gerade schreiben. Das erklärt bestenfalls die Ohnmacht theologischer Spekulanten, die Inkohärenz erdichteter Glaubenslehren zu rechtfertigen.
Gibt es einen Gott? Wer kann das mit Gewissheit bejahen oder verneinen? Was man allerdings mit Sicherheit verneinen kann, ist ein Gott, wie er von den Religionen gelehrt wird. Er ist ein Menschenwerk und ein Priesterwerkzeug. Gott bewahre uns vor einem solchen Gott!